Wednesday 14 May 2014

Musikstudenten sprechen über Muïesis - Muïesis als Alternative?

Am 5. Mai 2014 fand für die Studenten der Hörerziehungsklassen an der Musikhochschule Stuttgart eine Aufführung des muïetischen Konzertprogramms THE RIGHTEOUS FATALE statt. Sie waren anschließend gebeten worden, ihre Eindrücke zu verschriftlichen. Zum Thema Muïesis als alternative Aufführungspraxis:

„In der heutigen Zeit ist es aufgrund der permanenten Reizüberflutung im Alltag immer schwieriger geworden, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Auch in der Begegnung mit Musik kann es so zu Schwierigkeiten kommen, wenn es darum geht, zum Kern der Musik vorzudringen, die Musik so umfassend wie möglich zu erleben. Die von Heloise Ph. Palmer entwickelte Aufführungspraxis Muïesis setzt an diesem Punkt an und hat das Ziel, dem Zuhörer ein außergewöhnliches Konzerterlebnis zu bieten, indem sie verschiedene Kunstformen vereint, um den Gesamteindruck zu intensivieren und somit einen Weg zum tieferen Verständnis der Musik bahnen möchte. Dabei geht es nicht darum, die Musik mit anderen künstlerischen Inhalten zu überlagern. – Ganz im Gegenteil: die Essenz der Musik soll betont und in den Vordergrund gerückt werden. Ergänzende künstlerische Inhalte können ganz unterschiedlicher Natur sein. In The Righteous Fatale fanden sich so zum Beispiel nicht nur Poesie und Elemente aus dem Theater – sondern auch ein Spiel von Licht und Dunkelheit, welches die dramaturgische Gestaltung des Konzertprogramms zusätzlich umrahmte. Dazu kommt, dass die Reihenfolge der gespielten Werke einem Spannungsbogen folgt, der dem Verlauf eines antiken Dramas gleicht und so zusätzlich die Empfindung für die jeweiligen Werke steigern und ihre Wahrnehmung erleichtern soll. In Kombination mit den ausgewählten Texten ergibt sich also ein Gesamtkunstwerk, in dem die Musik eine Geschichte erzählt – in diesem Fall die der Klytaimestra – und somit greifbarer wird. Insgesamt folgt Muïesis also der Idee, durch die Einbringung verschiedener Künste ein Gesamtkunstwerk zu schaffen, das den Zuhörenden letztendlich die Musik näher bringen soll, als es die bisherige Konzert- und Aufführungspraxis geschafft hat. Durch die Anordnung der Werke in einem thematischen, einer Geschichte folgenden Kontext, werden die durch die Musik ausgelösten Emotionen in einen Spannungsbogen übertragen und intensiviert. Je nachdem, an welchem Punkt des Spannungsbogens man sich im Konzert befindet kann ein Stück also – so war es mein Eindruck – an Intensität gewinnen. Dazu kommt, dass der Musik durch die Verwendung von Sprache, Lauten und Text ein Zugang geschaffen wird, der für manche Menschen im Publikum – vor allem für Zuhörer, die wenig Erfahrung im Umgang mit Musik haben – eventuell leichter zugänglich ist. Ein weiterer Eindruck, den ich durch den Besuch des Konzerts gewonnen habe ist, dass der Zuhörer durch die im Konzertsaal geschaffene Atmosphäre – Licht, Bühnenbild, Kostüm etc. – automatisch in eine besondere Stimmung versetzt wird, die zusätzlich zur inhaltlich-thematischen Ebene dazu beiträgt, die Aufnahmefähigkeit und das Konzerterlebnis zu steigern. Beeindruckend war außerdem, mit welcher Leichtigkeit die Epochengrenzen aufgelöst wurden - von Bedeutung war nur die Essenz der Musik und das, was sie auszudrücken vermochte. Ist man den „normalen“ Konzertbetrieb gewohnt, so ist eine muïetische Konzerterfahrung definitiv außergewöhnlich und spannend.“

© Anna Kramer, Kontrabaß, 6. Mai 2014